Überlastungsbedingte Sehnenproblem treffen den Läufer an ganz unterschiedlichen Stellen: Achillessehnenverlauf oder -ansatz, Kniescheibensehne, aussen am Knie- oder Hüftgelenk, oder am Sitzbein.
Allen gemeinsam: Sehnenbeschwerden sind langwierig, zeitraubend und frustrierend.
Dabei kommen die Beschwerden häufig nicht einfach über Nacht. Viele Beschwerden kündigen sich leise an. So wie bei Klaus und seinen Problemen mit der Achillessehne:
Klaus ist 42 Jahre alt. Er läuft schon länger. Zunehmend auch längere Strecken. Neben mehreren Halbmarathons hat er auch schon einen Marathon gefinisht.
Jetzt bereitet er sich auf sein großes Ziel vor: den Berlin- Marathon im Herbst.
Stadium 1
Mit Steigerung der Wochenkilometer fängt nach jeder Trainingseinheit ein leichtes Ziehen im Bereich seiner linken Achillessehne an.
»Das gehört wohl dazu«, denkt sich Klaus. Und solange seine Trainingsläufe beschwerdefrei durchführbar sind, ist das alles kein Problem.
Mittlerweile spürt er ein Ziehen und Steifigkeitsgefühl im Bereich der Sehne direkt nach dem Aufstehen. Innerhalb von 20-30 Schritten verschwindet das wieder.
Stadium 2
Lästig ist aber, dass die Achillessehne beim Loslaufen schmerzt. Aber auch das »läuft sich raus«.
Sein Trainingspensum beeinträchtigt das nicht.
Nachdem neuerdings auch zunehmend Schmerzen am Ende seiner Trainingsläufe auftreten, macht Klaus sich erstmals Gedanken.
Die Achillessehne ist im mittleren Drittel knotenförmig verdickt und druckschmerzhaft.
»Zum Arzt ? Ich bin doch nicht bescheuert. Der verbietet mir sowieso nur das Laufen« denkt Klaus.
Dann besser in die Apotheke und für die entzündete Sehne eine entzündungshemmende und schmerzstillende Salbe geholt.
Stadium 3
Trotz allem muss Klaus sein Trainingspensum zurückschrauben. Das erste Mal macht er eine Laufpause. Und kauft sich neue Laufschuhe.
Nach 4 Wochen Pause fühlt sich der erste Lauf gar nicht so schlecht an. Die Achillessehne ist ruhig. Und meldet sich mit aller Wucht gleich am nächsten Tag beim Aufstehen.
Nochmal 4 Wochen Pause. Dazu Eis und Salbenverbände. »Vielleicht brauche ich Einlagen ?« überlegt Klaus.
Stadium 4
Auch der nächste Laufversuch nach der Pause scheitert an wiederkehrenden Schmerzen im Bereich seiner Achillessehne. Jetzt spürt Klaus die Beschwerden bereits im Alltag. Bei jedem Schritt. Vor allem beim Treppensteigen. Der kurze Sprint, um den Bus noch zu erreichen ? Den hat Klaus längst aufgegeben.
Nach 9 Monaten denkt Klaus an die für Ihn schlechteste aller Möglichkeiten: Er geht erstmals zum Arzt.
Vielleicht gehen verletzte Läufer erst sehr spät zum Arzt, weil Sie uns am wenigsten zutrauen ihr Problem zu lösen.
»Der Arzt verschreibt mir Einlagen, verbietet mir das Laufen und will mit teure Spritzen oder Stosswellenbehandlung verkaufen. Da gehe ich lieber zum Physio, Osteopathen (was macht ein Osteopath eigentlich ?) oder zum Heilpraktiker...«.
Dabei ist der erste Schritt zur effektiven Behandlung erstmal ganz einfach:
Die australischen Sehnenforscher Jill Cook und Craig Purdam unterscheiden in ihrem Modell drei unterschiedliche Problemformen. Die kann man bei allen Sehnenproblemen mit einfachen Mitteln unterscheiden:
(man kann auch Tendinopathie sagen, aber bitte nicht mehr Tendinitis !)
Die Patienten sind jung. Berichten über eine plötzliche Belastungssteigerung, wie z.B. Trainingslager, neu mit Berglauf- oder Intervalltraining begonnen, oder nach längerer Verletzungspause direkt voll wieder ins Training eingestiegen. Die Beschwerden sind auch deutlich im Alltag beim normalen Gehen spürbar. Laufen ist wegen der starken Schmerzen nicht möglich.
Solche Patienten sehe ich ganz selten in der Praxis.
Klaus hat uns die Entwicklung einer chronischen Tendopathie der Achillessehne weiter oben erzählt. Das kann im weiteren Verlauf über leichte bis mäßige Schmerzen, mit denen man sich arrangiert hat auch hinausgehen. Dann spürt man die Sehne auch bei Alltagsbelastungen und nicht nur alleine beim Sport.
Hinweis: Nur bei der Achillessehne lässt sich die spindelförmige Verdickung im mittleren Drittel sehr gut tasten. Bei anderen Sehnen zeigen sich die Veränderungen im Ultraschall oder Kernspin.
Xaver ist ein Beispiel für dieses Problem. Xaver, 51 Jahre alt, ging es wie Klaus. Aber im Vergleich zu Klaus war er bereits beim Arzt. Der hat was von entzündeter Sehne erzählt und Xaver Einlagen verordnet, neue Laufschuhe empfohlen und Ihm eine Spritze verpasst. Etwas gegen die Entzündung. Xaver glaubt, dass es Kortison war.
Kurz danach lief es wieder super, allenfalls nur noch ein geringes Zwicken im Bereich der Achillessehne ab und an.
Dann, während eines langsamen Regenerationslaufes mit seiner Frau, fängt seine Achillessehne plötzlich wieder an zu schmerzen. Zuerst wenig, aber innerhalb von 5 Minuten steigert sich der Schmerz so weit, dass an Weiterlaufen nicht mehr zu denken ist.
Zusammen mit seiner Frau ist er dann den ganzen Weg zurück nach Hause gehumpelt.
Bei der chronischen Tendopathie sind nicht alle Sehnenbereiche von Veränderungen betroffen. In Teilen der Sehne finden sich typische Strukturveränderungen. Andere Abschnitte zeigen eine völlig normale Sehnenstruktur.
Kommt eine aussergewöhnliche Belastung dazu (Schlagartig gesteigerte Trainingskilometer, Berglauf, Intervalle, Laufen auf Sand oder unebenem Terrain) kann sich in den bislang nicht veränderten Sehnenanteilen eine akute Tendopathie entwickeln.
Ein Teiliriss oder eine komplette Ruptur sind anhand der Beschwerdeschilderung alleine auch möglich. Vor allem, wenn die Sehne vorab mit Kortison behandelt wurde (wie bei Xaver), oder wenn wegen einem bakteriellen Infekt vom Arzt Antibiotika aus der Gruppe der Chinolone verordnet wurden. Das sind die Antibiotika, die auf ...oxacin enden. Also: Levofloxacin, Ciprofloxacin oder Norfloxacin.
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